Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

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tursiops
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Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tursiops »

Hai!

Da ich in einem anderen Thema gerade mal wieder über einmaliges Erlebnis und Wahrscheinlichkeiten gestolpert bin.
Hier man etwas Grundlegendes darüber.

Ich bin ja eigentlich Meeresbiologe und promovierter Limnologe (Süßwasserbiologie).
Es gibt in der Limnologie als eines der drei Gebiete der Ökologie eine Theorie dazu.

Man stelle sich dazu folgende Situation vor.
Ich bin eine Forelle. Ich habe meinen Lieblingsplatz im Fluss, an dem ich gerne verweile.
Ich döse gerade vor mich hin, als eine Fliege an der Wasseroberfläche vorbei treibt.
Ich reagiere zu langsam, hab halt gepennt.
Nun, was mache ich? Schwimme ich hinterher und hole mir den Leckerbissen?
Dann verbrauche ich aber Energie, um zurück auf meinen Lieblingsplatz zu kommen.
Oder warte ich.

Das Ganze kann man jetzt schön modellieren, berechnen, diskutieren.

Die Antwort ist simpel. Nein, ich schwimme nicht hinterher.
Denn, die Wahrscheinlichkeit, dass eine weitere Fliege den Fluss herunter treibt, ist genau so groß, wie die Wahrscheinlichkeit war bei der ersten (verpassten) Fliege.

Diese Theorie ist ein Stück weit zu einer Lebensphilosophie von mir geworden.
Es gibt keine einmalige Chance.
Nicht beim Walhai.
Und auch nicht bei der Jagd auf Schnäppchen.
Den die Wahrscheinlichkeit auf eine Wiederholung ist genau so groß.

Liebe Grüße
Schorsch
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Andiline
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Re: Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von Andiline »

Ich würde es etwas anders ausdrücken: das alles ist Natur - man muss es so nehmen, wie es kommt, eine Garantie gibt es für nichts und eine verpaßte Gelegenheit kommt meist nicht nochmal.

LG
Andrea
Olympus OM-D E-M5 im Nauticam-Gehäuse, Inon D2000w/ Über Wasser: Canon 5D MarkII + 7D - Canon 15-85 mm, 24-105 mm, 50 mm Makro, 100 mm Makro und weitere Spielzeuge.. ;-)

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tursiops
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Re: Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von tursiops »

Hai!

Und genau dies stimmt eben wissenschaftlich, mathematisch betrachtet nicht.

Wir Menschen glauben an die einmalige, verpasste Gelegenheit.
Und die Marketing-Agenturen verstärken diesen Glauben gezielt.
Aber das stimmt nicht.....

Als Beispiel der Walhai.
Du musst nur häufig genug in einem entsprechenden Gebiet tauchen gehen und dann wirst Du wieder einen Walhai sehen.
Mit der gleichen Wahrscheinlichkeit wie Du den ersten gesehen hast.

Es gibt nur ganz, ganz wenige Ausnahmen.
Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, dass er glaubt, dass genau diese Ausnahmen in allen seinen Lebenssituationen vorliegen.....

Liebe Grüße
Schorsch
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Andiline
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Re: Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von Andiline »

Du hast Recht, aber es wiederspricht nicht dem, was ich meine. Nehmen wir als Beispiel den Leafy Seadragon. Wegen dem bin ich im Oktober nach Adelaide geflogen. Es gibt dort Tauchplätze, an denen es diese Seadragons nicht gibt, aber an anderen Tauchplätzen kommen sie relativ stationär vor. Daher ist die Wahrscheinlichkeit, einen an den stationären Tauchplätzen zu finden, relativ hoch. Der 'Natur'-Faktor daran ist, ob ich nun gerade ein Männchen finde, das vielleicht noch zusätzlich Eier trägt. Kann sein, kann aber auch nicht sein. Klar kann man das, was ich mit 'Natur' bezeichnet habe, auch beeinflussen. Zum Beispiel indem man in der Jahreszeit dort tauchen geht, in der sie ihre Eier mit sich herum tragen. Ich denke, im Grunde meinen wir das Gleiche, nennen es nur anders. All das sind Dinge, die man in irgendeiner Form 'berechnen' kann, weil sie sich wiederholen.

Der Punkt ist wahrscheinlich, dass man meist nicht genug Zeit hat, die Tauchgänge so oft zu wiederholen, bis ähnliches/das Gleiche wieder auftritt.

LG
Andrea
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wahoo
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Re: Die einmalige Chance - zum Thema Wahrscheinlichkeiten

Beitrag von wahoo »

Als altem Fliegenfischer gefällt mir das Beispiel mit der Forelle.

Ich habe dann kurz überlegt, ob ich für mich daraus auch eine Lebensphilosophie ableiten soll.
Dann ist mir aber aufgefallen, dass sie nur mit Einschränkungen taugen würde.

Der für den Menschen begrenzende Faktor ist in erster Linie wohl wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Ereignis eintritt.

Im Beispiel Forelle und (Eintags)-Fliege ist sie ausreichend hoch, auf das nächste Ereignis zu warten.
Wenn ich aber Lotto spiele, ist die Wahrscheinlichkeit, dass die von mir vorhergesagte Zahlenkombination gezogen wird sehr gering. Grundsätzlich sagen mir zwar die Regeln Stochastik, dass irgendwann auch meine Kombination gezogen wird, auch wenn es am letzten Wochenende nicht so war.
Sollte ich also meine Lebensführung darauf ausrichten, dass ich sowieso irgendwann im Lotto gewinne?
Eher nicht, da mir wahrscheinlich (schon wieder dieses Wort) die Zeit davon läuft.

Und genau das lässt sich natürlich auch auf Ereignisse beim Tauchen/Fotografieren übertragen.
Wenn ich gerne mal (wieder) Orca’s Unterwasser sehen möchte, und ich den Tauchgang auf Cocos oder Galapagos, bei dem meine Tauchgruppe Orca’s gesehen hat, wegen einer Magenverstimmung verpasst habe, würde ich mich doch ärgern.
Die Wahrscheinlichkeit diese Tiere zu sehen, ist an den genannten Orten einfach viel zu gering und ich sollte nicht davon ausgehen, dass ich die Chance auf dem Rest des Trips auch noch bekomme.
Ich müsste also am besten als Guide auf dem Schiff anheuern um mir mehr Zeit zu verschaffen :shock:
… oder mich auf dem Rest des Trips daran zu erfreuen, was ich sonst noch zu sehen bekommen und den nächsten Schnorchel-Urlaub zur richtigen Jahreszeit in Norwegen zu verbringen. Brrrrrr!

Wie die meisten von Euch habe ich es aber auch sehr oft erlebt, dass ich am Urlaubsort gesagt bekomme:
Du hast echt Pech, normalerweise
- ist das Wetter viel besser
- sind die Sichtweiten doppelt so hoch
- sehen wir immer Blueringoctopoden, coleman shrimps, Delfine, Mantas, Walhaie, Tigerhaie, Wonderpus …
Warum habe ich immer dieses Pech?

Wenn ich die kleinen Gedankenspiele über Stochastik so betrachte, dann hilft es zum Seelenfrieden ungemein, wenn ich die Wahrscheinlichkeit für eins der Ereignisse besser einschätzen kann und mich nicht von den schönen Bildern von fantastischen (aber sehr seltenen) Begegnungen auf den Webseiten der Anbieter in die Irre führen lasse.

Und natürlich hilft es, so oft wie möglich den Kopf unter Wasser zu haben.

Ganz nach dem Motto des Fliegenfischers:

Die Fliege fängt nur, wenn sie im Wasser ist! :mrgreen:
Canon EOS 5D MKIV im Seacam Gehäuse , Canon EF 8-15, Canon EF 16-35, Canon 100 Makro, 2 x Seacam Seaflash 150D
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